Die Verantwortungswahrnehmung in Deutschland gegenüber unserer Vergangenheit hinterlässt nicht selten den Eindruck, als seien Geschehnisse unserer Geschichte in einer anderen Galaxis oder in einem weit zurückliegenden Jahrhundert geschehen und müssten |
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deshalb von uns lediglich an periodisch wiederkehrenden
Gedenktagen bedacht werden, um sich erneut des Unheils zu erinnern
und einer Wiederholung vorzubeugen. Mir scheint dies jedoch ein
falscher Weg zu sein, um wirkungsvoll eine mögliche Wiederholung
unserer unheilvollen Geschichte zu begegnen. Das verbreitete
Phänomen des Leugnens, Bagatellisieren und Relativierens
historischer Geschehnisse ist Ausdruck und Folge dieser
unreflektierten Haltung, welche hierzulande vielfach durch
Politiker sowie Rechts- und Ausführungsorganen vertreten wird.
Eine Verantwortungswahrnehmung, welche den ihr zugedachten
Anspruch zu erfüllen gedenkt, erfordert ein vorausschauendes und
vorausdenkendes Handeln mit permanenten Reflektieren einer
möglichen Wahrnehmung des eigenen Handelns durch Andere. Wie in
anderen Bereichen auch, führt nur ein sich permanent
Vergegenwärtigen eines menschlichen Agieren dazu, ein tief
verwurzeltes Empfinden über Schicklichkeit oder Unschicklichkeit
zu entwickeln. Um dieses an einem Beispiel für jedermann/jedefrau
verständlich zu machen, sei auf die psychologisch erforschten
Mechanismen der Kindesmisshandlung hingewiesen. Die schnell
ausrutschende Hand gegenüber Kindern ist eine Folge eines
gedankenlosen Umgangs mit Schutzbefohlenen. Es steht außer Frage,
dass beim Umgang mit Kindern Situationen entstehen können, wo man
in Stresssituationen sprichwörtlich außer Kontrolle geraten
kann. Um einer Eskalation solcher Situationen entgegen zu wirken,
hat uns die Natur mit dem Mechanismus der natürlichen
Hemmschwelle ausgestattet. Dieser Mechanismus kann jedoch nur dann
ausgebildet werden, wenn man sich gedanklich vorweg mit
entsprechenden Situationen auseinandergesetzt hat und sich die
möglichen eigenen Reaktionen permanent vergegenwärtigt. Diese
Eigenschaft des sich Vergegenwärtigen ist somit jenes Rüstzeug,
um damit den Toleranzgrad einer natürlichen Hemmschwelle zu
trainieren, zu stärken und somit überhaupt erst wirksam werden
zu lassen.
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Nicht
anders verhält es sich mit der Verantwortungswahrnehmung
gegenüber unserer Geschichte. Auch hier kann eine unheilvolle
Wiederholung nur dadurch verhindert werden, indem man sich
permanent die Geschehnisse bewusst macht und das eigene Handeln
jederzeit reflektierend den Handlungsmustern der Geschehnisse
unserer Historie gegenüber stellt. Unsere
Verantwortungswahrnehmung muss ebenso einen ganzheitlichen
ethischen und moralischen Anspruch erfüllen und darf deshalb
nicht nur jene menschlichen Entgleisungen de-legitimieren, deren
Menschenverachtung wir mit der unmittelbaren Monströsität
unserer Geschichte assoziieren. Die Wahrnehmung unserer
Verantwortung ohne bloße Alibifunktion muss auch jene
Verhaltensmuster de-legitimieren, die den monströsen
Geschehnissen mit der Absicht der Opfertäuschung
vorausgingen. Wir müssen uns auch daran
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erinnern, dass Opfer mit Versprechungen einer verharmlosenden Umsiedlung
oder einer Waschgelegenheit in Duschräumen arglistig getäuscht
wurden, bevor ihnen Unaussprechliches zugefügt wurde. Die
Kenntnis dieser Hintergründe muss uns Nachgeborene dazu
veranlassen, auch jene menschlichen Verfehlungen zu
de-legitimieren welche ethische und moralische Ansprüche
wie den Grundsatz des 'Treu und Glaube' nicht Rechnung
tragen.
Die Wahrnehmung unserer Verantwortung muss uns veranlassen
all jene Mechanismen
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zu de-legitimieren, die auch nur marginal zur fatalen Entwicklung
unserer Geschichte beigetragen haben. Daraus folgt, dass
Verantwortungswahrnehmung nur aktiv betrieben und nicht durch
leere Worthülsen an periodischen Gedenktagen zur Beruhigung des
eigenen Gewissens ersetzt werden kann. Passivität mit dem Schein
der Wahrnehmung einer Verantwortung, ohne jeglichen Einfluss auf
unser alltägliches Handeln, käme jenem Agieren des Wegschauen
gleich, welches uns als eine maßgebliche Ursachen der fatalen
Fehlentwicklung unserer Geschichte bewusst sein müsste.
Demzufolge muss es für uns auch verpflichtend sein, heutige
Geschehnisse mit historischen Analogien klar und deutlich zu
benennen, zu thematisieren, nicht zu verschweigen, um diese
dadurch zu de-legitimieren. Falsch verstandene Tabus und
hierzulande nach wie vor praktizierte,
nicht selten instrumentalisierte
Vorbehalte gegenüber der
Thematisierung unserer jüngeren Geschichte sind kontraproduktiv
und bewirken lediglich jenen Sumpf aus Geschichtsleugnung,
Missdeutungen,
Fehlinterpretationen und
Verschwörungstheorien,
welcher
zweifelsohne als Nährboden eines wieder entstehenden
Unrechtssystems betrachtet werden muss. Nach meiner Erkenntnis ist
nur derjenige, der bewusst hinschaut in der Lage Analogien mit
Geschehnissen der Vergangenheit zu erkennen und letztlich
nur dadurch in der Lage einer
Wiederholung vergleichbarer Geschehnisse
entgegen zu wirken. Nachdem
sich Rechts-
und
Ausführungsorgane dieser
Verpflichtung zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung aufgrund ihrer
belasteten
Historie
geflissentlich entziehen, sind alle anderen verpflichtet diesen
Gewissensanspruch stellvertretend
für
die Rechts- und Ausführungsorgane wahrzunehmen. Dies
ist meine unerschütterliche Überzeugung und mein Postulat einer
Verantwortungswahrnehmung.
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Um
abschließend meine Sichtweise wiederum mit den Worten von Hannah
Arendt 1)
zusammen zu fassen, ist der Schlüssel unser
Verantwortungswahrnehmung unser Denken, unser Überdenken und
immer wieder unser Nachdenken über unsere Wahrnehmung einer Sache
und dem Reflektieren unserer gewonnenen Erkenntnisse sowie dem
Versuch einer permanenten Variation unserer Sichtweise, um
hierdurch die unterschiedlichsten Blickwinkel eines Sachverhaltes
zu erfassen. Diesem Anspruch gerecht zu werden ist mein
Verständnis der Wahrnehmung einer Verantwortung, für den ich
auch gegen
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Vorbehalte unreflektiert handelnder Akteure
kompromisslos einzustehen gedenke.
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